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Im Auftrag des Landtags und unter der Federführung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung hat die Landesregierung gemeinsam mit der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“ den Entwurf für ein Mobilitätsgesetz erarbeitet. Das Gesetz soll die rechtlichen Grundlagen für eine klimaverträgliche und sozial gerechte Mobilität in allen Teilen Brandenburgs schaffen.
Verkehrsminister Guido Beermann: „Wir wollen, dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger künftig noch bequemer, sicherer, zuverlässiger, klimafreundlich und ohne Barrieren mobil sein können. Der nun vorgelegte Entwurf ist ein kluges und gutes Ergebnis, das wir mit der Volksinitiative in einem fairen und vertrauensvollen Prozess erarbeitet haben. Gerade mit Blick auf die Verkehrswende möchten wir über den Tellerrand schauen.
Wir denken Mobilität in ihrer Gesamtheit. Der Gesetzentwurf berücksichtigt deshalb das Zusammenspiel aller Mobilitätsformen und die unterschiedlichen Bedürfnisse zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Brandenburg ist das bundesweit erste Flächenland, dass das Thema Mobilität so bündelt und einen gesetzlich festgeschriebenen Fokus auf den ÖPNV sowie die Nahmobilität legt. Konkret soll jeweils ein flächendeckendes Netz aus Bus und Bahn und aus Radverkehrsverbindungen entstehen. Mit dem Mobilitätsgesetz Brandenburg haben wir jetzt die Chance, Innovationstreiber und Taktgeber im Übrigen auch über Brandenburg hinaus für die Verkehrswende und den Klimaschutz zu werden.
Wir werden den Entwurf möglichst schnell im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens, das wir heute gestartet haben, finalisieren.“
Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Brandenburg und Sprecherin der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“: „Stellvertretend für die gut 28.000 Unterstützerinnen und Unterstützer unserer erfolgreichen Volksinitiative haben wir in den vergangenen anderthalb Jahren intensiv mit der Landesregierung verhandelt. Besonders wichtig ist uns, dass die Klimaneutralität des Verkehrssektors bis 2045, der Vorrang für den Umweltverbund beim Finanzmitteleinsatz sowie die Steigerung des Verkehrsanteils von Bahn und Bus, Fahrrad- und Fußverkehr auf mindestens 60 Prozent der Wege bis 2030 im Mobilitätsgesetz verankert werden. Wir erwarten von der Koalition, dass die uns gegebenen
Zusagen eingehalten und der Gesetzentwurf schnellstmöglich in den Landtag eingebracht und dort beschlossen wird. Wie mit dem MIL und den Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen verabredet, werden wir auch das weitere Verfahren eng begleiten und uns regelmäßig über den Fortgang abstimmen.“
Christian Wessel, Stellv. Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) in Brandenburg und Sprecher der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“: „Erstmals überhaupt soll Brandenburg mit dem Mobilitätsgesetz einen eigenen Rechtsrahmen für die Nahmobilität erhalten. Das Fahrrad spielt in einer klimafreundlichen Nahmobilität eine entscheidende Rolle, da 60 Prozent der heute in Brandenburg mit dem Auto zurückgelegten Wege kürzer als 10 km sind. Dieses Potenzial soll mit dem Mobilitätsgesetz systematisch gehoben werden. Dazu gehört das landesweite ,Radnetz Brandenburg‘, das über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg geplant und umgesetzt werden soll. Radschnellwege werden in der Hand des Landes gebündelt und Zuständigkeiten für selbstständige Radwege werden geregelt. Ebenso wichtig sind gesetzliche Regelungen zur Verkehrssicherheit und Unterstützungsangebote an Kommunen, welche die Entwicklung des Rad- und Fußverkehrs beschleunigen sollen.“
Fritz Viertel, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Brandenburg und Sprecher der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“: „Mit dem Mobilitätsgesetz wird klargestellt, dass der öffentliche Nahverkehr das Rückgrat der Verkehrswende in Brandenburg sein muss. Ohne ein flächendeckendes, attraktives Bahn- und Busangebot werden wir die Abhängigkeit vom Auto nicht beenden können. Wir wollen deshalb mit dem Gesetzentwurf die Landesnahverkehrsplanung vom Kopf auf die Füße stellen. Bislang wurden kleine Bahnlinien auf dem Land gestrichen, weil nur wenige Fahrgäste mitfuhren. In Zukunft soll stattdessen gefragt werden, wie diese Linien von mehr Menschen genutzt werden können. Ein Stundentakt als Mindestbedienstandard, das Schließen von Netzlücken durch die Reaktivierung stillgelegter Strecken bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit und eine optimale Verknüpfung von Bahn- und Buslinien untereinander sowie mit anderen Verkehrsmitteln sind dafür wichtige Bausteine.“
Das Mobilitätsgesetz Brandenburg verankert erstmals die verkehrspolitischen Strategien des Landes in einem modernen, zukunftsgerichteten Gesetz. Um die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger auch unter Klimaschutzgesichtspunkten zu verbessern, orientiert sich der Entwurf unter Beachtung der Finanzierungsmöglichkeiten an den Zielen der Landesregierung: Klimaneutralität bis 2045 und die Erhöhung des Anteils des Umweltverbundes, bestehend aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, bis 2030 auf 60 Prozent. Außerdem ist vorgesehen, dem Umweltverbund Vorrang vor anderen Mobilitätsformen einzuräumen. Mehr attraktive Angebote sollen die Bürgerinnen und Bürger motivieren, auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Um insbesondere die ländlichen Räume besser zu erschließen, soll im Rahmen der Umsetzung des Landesnahverkehrsplans ein Vorschlag für ein landesweites Netz von Bahn und Bus unter Beteiligung der kommunalen Aufgabenträger erarbeitet werden. Bei der Planung des SPNV in Aufgabenträgerschaft des Landes erfolgt im Gesetzentwurf ein Paradigmenwechsel von der nachfrage- zur angebotsorientierten Planung. Das Land wirkt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten darauf hin, die Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur zu vermeiden und unterstützt unter Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit die Reaktivierung von Schienenstrecken und Haltepunkten sowie den Wiederauf- und Neubau von Eisenbahnstrecken. SPNV und kommunaler Busverkehr sollen bessere Takte nach einheitlichen Bedienstandards erhalten. Interessenvertretungen (z.B. von Menschen mit Behinderung) und Fachverbände sollen die Möglichkeit erhalten, stärker an der Nahverkehrsplanung von Land und Kommunen beteiligt zu werden.
Auch das im Koalitionsvertrag verankerte und bisher schon im Straßenbau praktizierte Prinzip „Erhalt vor Neubau“ soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das Auto – in Zukunft klimaneutral betrieben – wird auch künftig im Flächenland Brandenburg eine wichtige Bedeutung für die Mobilität des Einzelnen haben, insbesondere dort, wo der Umweltverbund an praktische Grenzen stößt.
Wichtiger Bestandteil des Gesetzentwurfs ist zudem das Ziel „Vision Zero“, um die Anzahl der Verkehrsopfer kontinuierlich zu reduzieren. Insbesondere soll die Verkehrssicherheit für die sogenannten „ungeschützten“ Verkehrsteilnehmenden im Rad- und Fußverkehr erhöht werden.
Hintergrund:
Im Auftrag des Landtags startete die Landesregierung Ende 2021 einen Dialogprozess mit zahlreichen ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der erfolgreichen Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“, in der 16 Verbände, Gewerkschaften und Initiativen organisiert sind. Drei fachliche Arbeitsgruppen erarbeiteten unter der Leitung einer paritätisch besetzten Steuerungsrunde gemeinsam einen Entwurf für ein Brandenburgisches Mobilitätsgesetz. Mit großem Engagement moderiert wurde die Steuerungsgruppe von der ehemaligen Geschäftsführerin des DLR Berlin, Prof. Dr. Barbara Lenz. In den Prozess einbezogen wurden auch die Regierungsfraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Landtag.
Der Entwurf zum Mobilitätsgesetz Brandenburg besteht aus mehreren Abschnitten. Der erste Teil stellt die grundsätzlichen Ziele der Verkehrs- und Mobilitätswende dar. Weitere Teile widmen sich dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Neu sind die rechtlichen Regelungen zum Thema Nahmobilität aus Rad- und Fußverkehr.
Die bisher im ÖPNV-Gesetz enthaltenen rechtlichen Regelungen zur Finanzierung des ÖPNV werden nach der Integration des alten ÖPNV-Gesetzes im Mobilitätsgesetz neu in einem sogenannten ÖPNV-Finanzierungsgesetz geregelt.
Darüber hinaus sind Änderungen im Brandenburgischen Straßengesetz mit einer erstmaligen Regelung zu stationsbasiertem Carsharing sowie Regelungen zu Radschnellwegen und selbständigen Radwegen geplant.